• Grundlage der Regelung von Bauprodukten ist die EU-VO 2011 0305, harmonisierte Regelungen für Bauprodukte. Verordnungen sind nach Art. 288 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der EU) unmittelbar geltendes Recht.

Wortlaut: Artikel 288 AEUV 1 Für die Ausübung der Zuständigkeiten der Union nehmen die Organe Verordnungen, Richtlinien, Beschlüsse, Empfehlungen und Stellungnahmen an. 2 Die Verordnung hat allgemeine Geltung. 3 Sie ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. 4 Die Richtlinie ist für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel. 5 Beschlüsse sind in allen ihren Teilen verbindlich. Sind sie an bestimmte Adressaten gerichtet, so sind sie nur für diese verbindlich. 6 Die Empfehlungen und Stellungnahmen sind nicht verbindlich.

Weil es praktischer ist, schreiben wir nicht EU VO 305/2011 sondern EU-VO 2011 0305. Es ist klar, daß es zu Verwechslungen kommen kann. Deshalb achten wir immer auf den Kontext.

  • Der EuGH hat mit Urteil vom 16.10.2014 in C-100/13 gefunden, dass Deutschland mit den Eingeführten Technischen Baubestimmungen (ETB), konkret mit dem Ü-Zeichen parallel zum CE-Zeichen, gegen den AEUV verstieß.

"In Bauregelliste B aufgeführte nationale Anforderungen an europäisch genormte harmonisierte Bauprodukte sind ein Verstoß gegen die Bauprodukte-Verordnung EU-VO 2003 1882."

  • Als Folge hatte Deutschland Bauprodukte EU-konform zu regeln.

  • Auch EU-Verordnungen bedürfen der Konkretisierung und sind in Form und Mittel nach Wahl der Unionsstaaten in nationales Recht umzusetzen, Art. 288 Satz 4 AEUV.

  • Kein nationales Recht ist die Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen des DIBt, die als Folge der EU-Rechtswidrigkeit der ETB entwickelt wurden. Der Name knüpft an die vorigen ETB an.

  • Die Art 73,74 GG – ausschließliche und konkurrierende Gesetzgebung - regeln den Vorrang von Länder-Regelungen vor Bundes-Regelungen. Danach sollen die Länder, wo kulturelle Unterschiede bestehen, eigene Regelungen erlassen können.

  • Hessen hat sich dafür entschieden, der M-VVTB des DIBt weitgehend zu übernehmen und verweist in § 3 HBO 2018 auf die EU-VO 2011 0305 und in § 90 (1) auf Technische Baubestimmungen und in Abs. 6 auf die M-VVTB.

  • Der Wortlaut des § 3 HBO ist:

§ 3 Allgemeine Anforderungen 1 Anlagen sind so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere Leben, Gesundheit und die natürlichen Lebensgrundlagen nicht gefährdet werden. 2 Dabei sind die Grundanforderungen an Bauwerke nach Anhang I der Verordnung (EU) Nr. 305 / 2011 zu berücksichtigen. 3 Dies gilt auch für die Beseitigung von Anlagen und bei der Änderung ihrer Nutzung.

  • § 90 HBO - Baubestimmungen regelt Details

(1) 1 Die Anforderungen nach § 3 können durch Technische Baubestimmungen konkretisiert werden. 2 Die Technischen Baubestimmungen sind zu beachten. 3 Von den in den Technischen Baubestimmungen enthaltenen Planungs-, Bemessungs- und Ausführungsregelungen kann abgewichen werden, wenn mit einer anderen Lösung in gleichem Maße die Anforderungen erfüllt werden und in der Technischen Baubestimmung eine Abweichung nicht ausgeschlossen ist; § 17 Abs. 2, § 20 Abs. 1 und § 73 Abs. 1 bleiben unberührt. (2) Die Konkretisierungen können durch Bezugnahmen auf technische Regeln und deren Fundstellen oder auf andere Weise erfolgen, insbesondere in Bezug auf: ... (3) Die Technischen Baubestimmungen sollen nach den Grundanforderungen nach Anhang I der Verordnung (EU) Nr. 305 / 2011 gegliedert sein. (5) 1 Die oberste Bauaufsichtsbehörde macht die Technischen Baubestimmungen nach Abs. 1 als Verwaltungsvorschrift im Staatsanzeiger für das Land Hessen bekannt. 2 Bei der Bekanntmachung kann hinsichtlich ihres Inhalts auf die Fundstelle verwiesen werden. 3 Das Deutsche Institut für Bautechnik veröffentlicht nach Anhörung der beteiligten Kreise im Einvernehmen mit den obersten Bauaufsichtsbehörden der Länder ein Muster der Technischen Baubestimmungen.

  • Nach dem Urteil des EuGH vom 05.03.2024, C-588/21 P sind verwiesene EU-Normen Teil des öffentlichen Rechts.

  • Damit sind alle harmonisierten Normen, auf die VVTB-Hessen verweist, Teil des öffentlichen Rechts.

  • Es könnten Zweifel bestehen, ob ein Bedarf bzw eine Legitmation aus Art 288 AEUV besteht, für harmonisierte europäische Normen nochmals lokale Regelungen treffen zu müssen. Anders ausgedrückt, geht es hier bereits um harmonisierte europäische Normen für Bauprodukte, die EU-weit vergleichbar sein müssen, so dass sich die Frage stellt, ob das Bundesland X das lokal regeln darf. Es spricht etwas dafür, dass die M-VVTB in allen Bundesländern gelten könnten, auch wenn es bis heute in jeder Stadt anders brennt, weil auch das Brandereignis der Kulturhoheit der Länder unterliegt.

  • Der Name Verwaltungsvorschrift scheint die Verwaltung zu binden, aber nicht den Anwender.

  • Natürlich müssen wir für den täglichen Gebrauch die VVTB-HE anwenden.

  • Abweichungen: sind Abweichungen von der HBO 2018 nach § 73; Erleichterungen: sind Abweichungen von der HBO 2018 für Sonderbauten

  • Befreiungen: Es scheint, es gebe keine. § 74 HBO regelt aber Befreiungen vom Nachbarrecht. Abs. 3 Satz 3: "Die Baugenehmigung ist nur insoweit zu begründen, als Abweichungen oder Befreiungen von nachbarschützenden Vorschriften zugelassen werden und der Nachbar nicht nach § 71 Abs. 2 zugestimmt hat"

  • § 86 Bußgeldvorschriften weist darauf hin, daß § 73 erforderliche Abweichungen, Ausnahmen oder Befreiungen regelt.

Damit scheint uns noch eine generische Definition der Begriffe Abweichung, Ausnahme oder Befreiung zu fehlen.

Hinweis an Abmahnanwälte: Wir zahlen nicht, bis Sie uns nachweisen, daß diese Überlegungen eine Rechtsberatung darstellen.

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